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Buenaventura Stadtrundfahrt (2007-06-19 13:10)
Woche 6 
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Die Stadtrundfahrt verlief ganz ähnlich wie die in Lima. Gemeinsam durch den Zoll, danach trennt sich die Gruppe. Bram und ich entern ein Taxi, um uns für 20 Dollar zwei Stunden lang durch Buenaventura kutschieren zu lassen.

Die Stadt ist, nunja, ähm, wie schreibe ich es freundlich, ein ganz kleines bischen heruntergekommen. Zu Anfang hatte ich den Gedanken, dass es vielleicht nur die Hafengegend ist. Zur Innenstadt hin wurde es auch etwas besser, es gab tatsächlich einige hübsche Stellen. Aber als wir in die Aussenbezirke kamen wurde es nur noch schäbig und schäbiger. Fast alles ist vergittert oder schnell vergitterbar. Läden bestehen aus Kisten und Wägelchen.

Sextechnisch kann ich die Mannschaft verstehen. Für das nicht angepasste europäische Auge ist die Konzentration auf andere Dinge doch arg gestört. Andererseits: bei der Hitze schwitzt die Stadt im Stehen. Bloss nicht an Bewegungen denken.

Sehenswürdigkeiten? Siehe Absatz vorher. Ansonsten fand ich nichts, was eine Reise wert wäre. Es sei denn, man möchte Slums besichtigen.

Wie auch in den letzten südamerikanischen Städten gibt es in Buenaventura eine hohe Dichte Soldaten/Polizei/Security/wasauchimmer. Üblicherweise waren sie vorher mit schusssicherer Weste, Pistole und Schlagstock ausgerüstet. Die in Buenaventura haben Maschinenpistolen und größere Kaliber an Gewehren umgehängt. Ergibt bei mir gemischte Gefühle. Und gelegentliche Hinweisschilder über den Straßenverlauf nach Cali und das Lenken unseres Taxifahrers auf eben diese Straße geben mir Weichei dann den emotionalen Rest… Natürlich kommt nach der nächsten Kurve auch noch eine Straßensperre, mehr Soldaten, rausgewunkene Wagen.

Vorhin fahren wir so auf unsere Stadtrunde, plötzlich hält der Fahrer an und bedeutet uns, die Fenster zu schliessen. Er dreht seins auch hoch, die Kiste ist dicht. Trotz inkompatibler Sprachmodule ist schnell klar, dass wir nun durch eine Ecke fahren, in der auch schon mal öfter ins Auto gegriffen wird…

Ich glaube, die Stadt ist für nächtliche Fotoausflüge gänzlich ungeeignet. Mit leeren Taschen mag es aber gehen.

Über den Strassenverkehr gelernt: Fast jeden Tag gibt es in der großen Stadt einen Verlierer. Und dass ist der, der freiwillig rückwärts fährt. Die Stelle ist zu eng für zwei? Und man steht schon fast ineinander verkeilt aneinander? Noch lange kein Grund, ein Stück rückwärts zu fahren. Einfach stehen bleiben, hupen, es wird schon. Irgendwie wird der andere einen Weg finden, die Reifen auf den Fußweg, doch in das tiefe Schlagloch (da können ganze Kinderwagen drinne versinken, darum gibt es hier auch keine) oder auf den Schlammabhangrand. Nur der Verlierer des Tages würde hier den Rückwärtsgang einlegen. Keiner will das sein. Ein Jahr hat 365 Tage, aber nicht 365 neue Verlierer.

Die Fotos in der Galerie sind fast alle aus dem fahrend Taxi gemacht. Als Ausrede mag dienen, dass es klein war. Das Taxi. Und beschwerlich, aus- und ein- zu steigen. Und im Auto viel sicherer. Und der Fahrwind wg. der schwülen Luft. Und sowieso ist Fotografieren im Sitzen mal was anderes. Und es hat was fürchterlich dekadent Westliches, sich aus dem Fenster des fahrenden Autos zu hängen und mit einer fetten Kamera im Gegenwert eines vollständigen Lebensverdienst der Geknipsten die Fotos zu schiessen.

3° 53,626’ N 77° 4,476’ W (67ft)

 
Buenaventura Einlaufen (2007-06-18 21:50)
Woche 5 
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Der Tag begann trübe und warm. Und wurde gegen Mittag noch wärmer. Drückend lag die Hitze über dem Pazifik, der glitzernd und flach wie geschmolzenes Blei schien. Joe Zucker wußte, dass die Menschen an diesem Tag noch erschöpfter sein würden, als sie sonst schon sind. Auf seinem blauem Hemd breitet sich bereits ein großer Schweissfleck aus, obwohl er erst seit zwei Stunden im Dienst war. Von seinem Kollegen Paul Kowalski auf dem Beifahrersitz im unbequemen Streifenwagen ging der frische Geruch eines Mannes aus, dem die Hitze nichts anhaben konnte. Nie würde ein Fremder auf die Idee kommen, dass auch er bereits seit über 8 Stunden ohne Dusche im Dienst war.

Paul sah sich noch einmal die Karte der vergangenen Nacht an.

“Das sieht ganz danach aus, als wolle er uns mürbe machen.” sagte Paul. Joe antwortet mit einem verächtlichen Schnauben. Das, so wußte er aus Erfahrung, würde er nicht schaffen.

In dem Fahrzeug, welches sie nun schon so lange beobachteten, liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren und schafften die Temperaturen, von denen er nur träumen konnte. Er greift zu der schäbigen Wasserflasche, deren Inhalt die einzige Linderung lieferte, die er und sein Kollege sich erlauben durften. Da quäkt es aus dem Funkgerät.

“Achtung, das Objekt verläßt seinen Aufenthaltsort. Es ist auf dem Weg nach Buenaventura.”

Erschöpft stieß Joe Zucker seinen Kollegen an, der aus dem Schlaf erwachte.

“Es geht los. Sie bewegen sich endlich!”

Sie sahen, wie der Wagen seinen Parkplatz verließ und Fahrt aufnahm. Aber er fuhr nicht schnell, sondern wie jemand, der noch kein Ziel vor Augen hatte. Wie ein 20-Jähriger, der eine Verabredung hatte aber noch nicht wußte, wann er sein Girl treffen würde.

“Da stimmt was nicht.” sagte Paul und rief über Funk die Zentrale.

“Vielleicht will er nur sprungbereit sein. Er legt sich auf die Lauer, umkreist sein Revier und dann…”

Joe Zucker hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stand der Wagen vor ihnen plötzlich in einer Parklücke. Sie sahen, wie der Fahrer langsam ausstieg und in ein nahes Restaurant ging.

Es war das Chez Trader, in dem ein Koch mit nur einer Bedienung jeden Tag von 8 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends seine hungrigen Gäste versorgte. Joe hatte davon gehört, das Essen war durchaus gut, eine bodenständige, bürgerliche Küche mit reichlichen Portionen. Nur die Bedienung sollte etwas träge sein, aber Joe war das egal. Hauptsache, es gibt etwas zu essen. Und das schien jetzt möglich zu sein.

Schnell sprangen auch sie aus dem Wagen, überquerten die River Side Road, auf der sich zu dieser Zeit der zähe Feierabendverkehr endlos zog. Sie hatten das Restaurant erreicht, mit einem schnellen Blick überflogen sie den Raum. Da, hinten rechts ist noch ein Tisch frei. Sie setzten sich, ohne jedoch den Fahrer des Wagens aus den Augen zu verlieren. Sie bestellten sich Beef with french fried potatos, dazu gab es wieder nur kühles Wasser.

Sie hatten gerade den letzten Bissen ihres Mahles auf der Gabel, als plötzlich der Fahrer aufsprang.

“Er muss den Termin erhalten haben.” bemerkte Joe überflüssigerweise, denn schon sahen sie, wie sich der Wagen in den immer noch zähen Verkehr einreihte.

Es ging nur langsam vorran. Aus einem vorausfahrenden MSC hob sich drohend ein behaarter Arm. Wieder mal ist Joe zu nahe aufgefahren, wieder mal mußte ein genervter Bürger ihnen zeigen, dass nur eine kleine Unachtsamkeit nötig war, um aus der Haut zu fahren.

Sie fuhren die lange schmale Hauptstraße herunter, die gerade auf Buenaventura zu lief. Links und rechts blinkten die grünen und roten Lichter, hinter ihnen ging die Sonne unter. Vor ihnen immer noch der MSC.

“Das kann noch dauern, bis wir in Buenaventura sind.” sagte Joe Zucker zu seinem Kollegen Paul Kowalski. Der blickte ihn an und sagte, was er immer sagte:

“Ich liebe diese langsamen Fahrten.” Er hatte ja recht, jedes Revier hatte seine Eigenarten und bei dieser langsamen Fahrt blieb genügend Zeit, die Ränder des Fahrbahn zu beobachten. Die Stadt erstrahlte nun in ihrem nächstlichen Lichtermeer, welches gnädig die ausgelaugten Straßen und die grauen Häuser verdeckt. Buenaventura hatte bessere Zeiten gesehen, aber die lagen vor der Zeit, in der Joe Zucker sich auf ihren Straßen herumtreiben durfte.

Nach über einer Stunde hatten sie scheinbar ihr Ziel erreicht. Der Wagen vor ihnen bog nach links ab, Joe Zucker lenkte in einem sanften Schlenker hinterher. Plötzlich kam ihnen Gegenverkehr entgegen. Ein großer, gefährlich schwankender Wagen, der wie sie auch in der Hitze des Abends glühte. Sofort hatten Joe und dessen Fahrer Augenkontakt. Ein kurzes Nicken, als wenn sie sich schon seit Jahren kennen würden und beide hatten verstanden, wie sie diese brenzelige Situation meistern. Joe zog seinen Wagen auf die linke Seite, ganz in den engen Rand der Kurve, während dem entgegenkommenden Wagen der große Aussenrand blieb. Nun fuhren sie zwar beide auf der falschen Seite, aber es war für jeden genügend Platz vorhanden.

Schon begann der andere Wagen zu beschleunigen. Er nutzte den freien Raum, den Joe ihm gelassen hatte. Diesmal würde der Fahrer keine wütende Hand recken, dachte Joe, aber er wußte auch, dass beide nun viel zu beschäftigt sein würden, um Freundlichkeiten auszutauschen.

Ihr Überwachungsobjekt war inzwischen an seinem Ziel angekommen, Joe konnte es in der Ferne parken sehen. Vor ihnen lag die Straße und in den Häuser am Rande standen die Bewohnern auf den Balkonen und versuchten gierig jede noch so kleine Brise aufzuschnappen.


Schwer und unbeweglich lag die Hitze in den Straßen, es war so heiss, dass jedes Fenster geöffnet war. Nur wenige Nachtschwärmer würden in dieser Nacht die Straßen der Stadt bevölkern. Aber Joe wußte, dass einige von ihnen erst spät in der Nacht den Heimweg antreten würden.

“Ich mache Meldung” sagte Paul Kowalski und griff zum Funkgerät, aus dem plärrende Stimmen klangen. Paul drückte die Sprechtaste und gab in kurzen Worten ihre Wagennummer und die neue Position durch.

Sie hielten mit ihrem Wagen wieder an genau der gleichen Stelle, an der sie vor genau 15 Tagen schon einmal gehalten hatten. Auch dieses Mal war es heiss und schwül. Dann begann es leise zu tröpfeln.

“Paul, es hat keinen Zweck.” sagte Joe Zucker und sie brachen die Überwachung ab.

3° 53,626’ N 77° 4,476’ W (67ft)

 
Piratos! (2007-06-18 8:49)
Woche 5 
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Gestern abend die Durchsage: “Beginning with 20hundret all outer doors must be locked for the night. Check the doors.”

Will sagen: weil wir nahe dem Land auf Reede liegen und man wohl Befürchtungen wg. ungebetenen Gästen hat, sollten die Aussentüren abgeschlossen werden. Was ich auch brav für unseren Flur tat. Und kurz vor 8 Uhr kam dann auch jemand und hat es überprüft.

Jedenfalls führte das auch prompt zu einem nächtlichen Traum. Soweit ich mich erinnern kann, wurden wir von Piraten überfallen (die haben in mein Fenster geguckt!) und ich habe zwei Piraten gefangen. Sie liefen draussen rum und liessen sich widerstandslos fesseln. Mit zwei Kabelbindern. Wahrscheinlich habe ich zu viel Tess Gerritson gehört.

Damit hatte ich nun meine zwei Gefangenen und ab dann gab es nur noch Probleme. Zum einen hatten wir keinen passenden Raum an Bord, wo man sie hätte einsperren können. Und später, beim Abliefern der Piraten in Buenaventura, hatten wir nicht die richtigen Papiere, um überhaupt Piraten fangen zu dürfen. Muß wohl so ähnlich wie beim Fischen mit dem Angelschein sein. Piratenfangschein. Incl. Lehrgang und Prüfung. Und jährlicher Erneuerung gegen Gebühr. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach so unkontrolliert Piraten fangen würde?.

Am Ende blieben wir/ich auf unseren/meinen Piraten sitzen und wären/wäre selbst fast festgenommen worden.

Und dann war die Nacht vorbei.

3° 49,150’ N 77° 33,482’ W (264ft)

 
Doch Buenaventura (2007-06-17 19:56)
Woche 5 
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Es ist nicht genau heraus zu kriegen, was genau Bram seinerzeit gehört hat, aber Buenaventura wird doch angefahren. Vielleicht ist ihm gesagt worden, dass wir zu früh sind und deshalb bis morgen auf Reede liegen.

Egal. Jedenfalls tun wir das jetzt (beides. Sowohl auf Reede liegen als auch Buenaventura anlaufen). Sehr beruhigend, Maschinen sind aus, Schiff ist relativ leise und vibriert kaum. Gelegenheit, morgen früh den Bart zu scheren.

Einlaufen Buenaventura wahrscheinlich irgendwas um 16 Uhr. Wir sind 40 Seemeilen weg, also geht es zirka 13 Uhr los. Oder so. Und 24 Stunden Aufenthalt.

Damit doch noch eine Rundtour durch Buenaventura. Mafiahochburg.

3° 41,182’ N 77° 40,378’ W (124ft)

 


 
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