Nun liegen wir im Containerhaven von Antwerpen. Ziemlich interessante Revierfahrt bis zur Schleuse, die Schelde schlängelt sich in etlichen Schleifen bis zur Schleuse. Auf dem Fluß und mit voller Fahrt voraus führt wieder ein Lotse die Regie. Und ich lerne neue Kommandos kennen: die “three two five”-Geschichte (er will, dass das Schiff auf 325° Kurs gebracht wird) kenne ich schon. Neu ist: “15 steerboard” (richtig?), was soviel heisst wie Ruder 15 Grad Steuerbord. Irgendwann kommt dann ein “Midships” (Mitte Schiff, geradeaus) oder Ansagen anderer Gradwinkel. Also zwei Methoden: entweder direkten Steuerkurs oder Rudereinschläge.
Der Kapitän steht bzw. sitzt die ganze Zeit relativ beschäftigungsarm herum. Gelegentlich am Fahrhebel stellen, wenn der Lotse ihn auffordert. Aber meistens den Verkehr bzw. Landmarken beobachten.
Sein großer Auftritt kommt bei Anlege- oder Manöveraufgaben. Dann setzt er sich seine Schirmmütze auf und zieht das Fliessjäckchen an, denn nun geht es seitlich raus aus der warmen Brücke auf die zugigen Brückenausleger. Dort ist jeweils ein Steuerpult und ein Kompass angebracht. Von dort steuert er das Schiff. Steuert, wohlgemerkt, denn die Führung hat weiterhin der Lotse.
Schleusen war relativ unspektakulär. Schiff vorwärts rein, Seile raus, festmachen, Rolltor der Schleuse zu, Wasser rein, anderes Rolltor auf und wieder raus. Dazu ein kleiner Schleppertanz, hinten der verläßt uns bevor sich das Tor schließt. Und der zweite fährt vorne rein, sobald sich das Tor weit genug geöffnet hat, quetscht sich an uns vorbei und macht hinten an uns fest.
Stress Minimaler Unmut entsteht, wenn die vordere Deckscrew mal wieder schneller als die hintere Crew arbeitet und das Schiff schief rangezogen wird. (So ich den Funkverkehr richtig gedeutet habe.)
Spannender ist das Anlegen gewesen. Der Containerhafen zweigt von der Hauptfahrrinne ab. Und der Kapitän musste rückwärts einparken, da Wenden in diesem Hafenende verboten ist. Kleine Diskussion über das Verbot zwischen Kapitän, Erstem und Lotse… das Schiff wäre doch nur 200 Meter lang und der Hafen 260 Meter breit.
Also ging es rückwärts in das Hafenende. Keine wirklich schwierige Aufgabe. Nur das andere Containerschiff, welches direkt vor uns vorwärts (weil kürzer) rein ist, lag gefühlte lange Zeit in unserem Weg. Aber bis wir dort ankamen, hatte es sich mit seinen Bug- und Heckstrahlern bereits seitlich in die Lücke geschoben. In die Lücke, in der knapp vorher noch ein Containerküstenmotorschiff lag, was sich auch noch schnell verdrückt hatte. Die ganze Geschichte hat was von Seniorentanzen. Jeder weiss, wo er hin will und wie er sich bewegen muss. Es geht nur (subjektiv) langsam mit 1 bis 2 Seemeilen (2 bis 4 Kilometer) pro Stunde vorran. Und die Hälfte hat einen Betreuer, der auf ihn aufpasst, damit er auch ganz sicher weiss, wo er hin will.
Einmal gab es vom Dritten eine strenge Ermahnung, als Achim und ich zu laut auf der Brücke sprachen. Keine gute Idee… Und einen sehr strengen Blick mit dem Zeigefinger zur Lippe vom Kapitän, als Achim ihn nach der laxen Kleidung fragte. “Wo denn die Kapitänsjacke wäre?” Das sind Fragen, die er beim Manöver vor der Schleuse wohl am wenigsten gebrauchen kann, wenn man für den Lotsen und Funkverkehr alle Ohren frei haben muss. Immer dran denken: die Leute arbeiten gerade, es ist kein Kindergeburtstag.
Festgemacht, danach Mittagessen (Soup, Drumsticks with Fries, Ice). Und jetzt warten auf Landgangerlaubnis.
14:54, Landgangerlaubnis per Telefon. “You want ashore?” Watt will ich? Ach so, “Yes” “OK, you can go.”
51° 19,698’ N 4° 20,302’ E (27ft)