Die Sache sieht gut aus: in Callao liegen wir von knapp vor 24 Uhr am 13ten bis angekündigt knapp 7 Uhr am 15ten. Das bedeutet, dass der ganze 14te für Landgang eingeplant werden kann.
Also erstmal Ashore. Was nicht einfach ist, weil der Chief Mate mit dem Schlüssel zum Tresor, in dem unsere Pässe eingeschlossen sind, zum Flughafen gefahren ist. Und in einer Stunde wiederkommt. Plötzlich ist er dann doch früher da.
Eigentlich ist es auch egal, weil die Stadt Callao bzw. der Ortsteil Callao liegt im Nebel. Könnte auch Smog sein. Weil einige Autos sehen von hinten aus, als wenn sie brennen. Ohne Witz. Das sind Wolken, da werden größere Laster blass vor Neid. Und nicht etwa nur beim Gas geben, nein, konstant.
Gut, aber wir stehen erst noch am Zoll. Dieses Mal erstaunlich einfach. Beim letzten Mal noch mit Eintragen in ein große Buch und versuchter Erpressung werden wir dieses Mal nach Taschenkontrolle direkt durchgewunken. Professionell gemachte Grenzsicherheit.
Nächste Hürde: der Taxistand. Geplant ist eine Rundtour, Festpreis für drei Personen um 25 Dollar mit einem halbwegs englisch sprechenden Fahrer.
Supi, da ist einer. Preis? 10 Dollar die Stunde. Weil Bezin ist teuer. Und englisch spricht er so leidlich. Achim sitzt im Auto. Bram diskutiert und ich gucke mir das in Ruhe an. Denn plötzlich haben wir einen ganz anderen Fahrer. Einen, der vom Englischen soviel weiss wie ich vom Spanischen.
Egal. Hin zu Stadt. Aber genau da beginnt das Problem. Wir können ihm nicht begreiflich machen, was wir wollen. Wobei wir drei uns sowieso nicht ganz einig sind, was wir wollen. Erst mal auf dem Centro, dem Plaza des Armas aussteigen. Und dann weitersehen.
Gut. Dissenz, wie es weiter geht. Die Gruppe trennt sich. Bram und ich besteigen einen Touristen-Rundtour-Bus zum Cerro San Cristóbal. Die Stadt liegt zwar im Nebel, aber was soll`s. Die Tour hat uns der Taxifahrer angeschnackt. Weil er wollte da nicht rauf. Ohne zu merken, dass er sich damit selbst entläßt, denn eigentlich waren drei Stunden geplant. So ist er nach einer Stunde und 10 Doller wieder alleine.
Bezahlen im Tourbus ist schwierig. Aus zwei Gründen: inkompatibles Sprachmodul und inkompatible Zahlungsmittel. Plötzlich sitzt eine Geldwechslerin im Bus, Bram wechselt exakt einen Dollar in peruansche Bezahldingens. Busfahrer und Geldwechslerin sind sichtlich irritiert. Bram läßt sich nicht beirren, er ist schon pfiffig, weil schlechte Wechselkurse will er nicht. Irgendwann sieht der Busfahrer ein, dass er unsere jeweils zwei Dollars nehmen muss. Geht doch.
Der Bus fährt um das Centro im Kreis. Einmal, noch einmal. Noch einmal. Und noch einmal. Immer etwas anders, aber einige Ecken sehen wir vier Mal.
Bei den Runden gibt es schöne Dinge zu sehen. Und auch schauderhafte. Z.B. die Blaskapelle von dem Militärdingens, die zum Wachwechsel “My Way” spielt. Ist wahrscheinlich sowas wie bei Schotten der Dudelsack, psychologische Kriegsführung. Sehr schief und sehr laut. Sofort ist Polizei mit Stock und Schild da, um die sich ansammelnden Touristen in Schach zu halten. Centro ist voll Touristen und Polizisten (ca. 15:1 gemischt), selbst zwei gepanzerte Spähfahrzeuge stehen in den Ecken. Und umme Ecke fanden wir zwei Wasserwerfer.
Derweil geht unsere Kreistour weiter. Wir zweifeln am Ziel unseres Ausflugs. Vielleicht haben wir “Wir fahren euch im Kreis, bis ihr nicht mehr wollt” gebucht. Fragen? Da ist das mit den Sprachmodulen… Passagiere fragen, irgendwer kann englisch. Ja, die Tour beginnt um 12 Uhr. Ok, das passt. Südamerika, Dschungle, es ist jetzt 12:30, wir beginnen also irgendwann demnächst, noch suchen wir beim Gurken durch die Centro-Gassen nach Fahrgästen ab.
Ich finde es schön. So sieht man Stadttreiben. Z.B. eine alte Peruanerin in traditioneller Kleidung.
Plötzlich verändert sich was: Aus dem Mann an der Tür, der immer laut irgendwas gerufen hat, ist eine Frau geworden, die ein Mikrophon in der Hand hat. Und die Tür ist zu. Es geht los.
Die nächste 30 Minuten verbringen wir mit der Anfahrt zum Cerro San Cristóbal, einem bestimmt ganz wichtigem Berg, auf dem ein großes gelbes Kreuz mit Beleuchtung steht. Auf dem Weg dahin erzählt die Frau und erzählt und erzählt. Leider in einer inkompatiblen Sprache. Aber es klingt sehr melodisch und sanft. Sie guckt nur etwas uninteressiert. Sprecherfehler Nummer eins: Leute nicht angucken. Man muss ihnen in die Augen schauen. Die Show ist für die Kunden und man erzählt es für sie. Und das muss man ihnen zeigen! Und sie müssen es spüren.
Nungut. Unter melodischem Singsang ihrer Stimme und vieler Hupen geht es Richtung Cerro San Cristóbal. Eine Bergstrasse herauf, die ausgesprochen steil und eng ist. So eng, dass Gegenverkehr ein echtes Problem darstellt.
Die Kurven sind eng, die Abhänge nach unten steil und steinig. Und das Kurvenfahren ist so wie mit den Kreuzungen oder Fußwegen gelöst: wenn man sich der Kurve nähert, dann bleibt man auf dem Gas. Man hupt einfach nur vorher. Wird schon werden.
Oben auf dem Berg mittelherrliche Rundumsicht auf prächtige Slums. Vielleicht ist es schöner, wenn man weiter sehen kann. So ist es eher ein unglücklicher Anblick wahrscheinlich unglücklicher Menschen.
Auf dem Berg ein Kreuz. Davor ein Opferstock mit Kerzen. Einzelne Fahrgäste kaufen eine Kerze und zünden sie an.
Nach 20 Minuten Pause sollte es weiter gehen, wir werden also nach 40 Minuten zum Einsteigen aufgefordert.
Vom Berg runter ist es um einiges sportiver und halsbrecherischer als rauf. Konzept bleibt (vor der Kurve hupen), nur jetzt mit gelegentlich gewagter Geschwindigkeit. Jedenfalls für den Wagen. Der TÜV würde wahrscheinlich Peru, ach was schreibe ich, gesamt Südamerika (bis auf Ausnahmen) stilllegen. In den Slums stockt unser Vorwärtskommen gelegentlich, weil allerlei Fahrzeuge nicht ausweichen können.
Wir beiden sind zurück auf dem Centro, die Gruppe sammelt sich wieder, zu dritt schlendern wir nun bei blauem Himmel über den Platz. Eine Hochzeit. Weisse Kutsche mit weissem Pferd, pigmentiert bevorzugter Bürger mit Migrationshintergrund als Kutscher und alter Mann mit seiner jungen Frau.
Ok, nächster Plan. Was essen. Oder doch nicht. Weil solange die Sonne gut ist, könnte man ja zurück und das Schiff fotografieren. Sagt Bram. Ich bin für Essen. Und zwar landestypisch. Alles klar, machen wir. Wurde eine Pleite. Ich hatte ein dünnes Stück Fleisch mit Reis und Kartoffeln, Sosse und Salat. Wenn das landestypisch ist, dann gibt es auf dem Schiff auch peruanisches Essen.
Dafür ist die Kellnerin ebenso süss wie unbeholfen. Essen gab es aber kein Besteck. Dann nur eine Gabel und das Messer vom Nebentisch. Nach einiger Zeit stellte sich raus, dass die Pizza (nicht für mich) so zirka 20 Minuten braucht. Ach je. Aber niedlich, wie sie uns das mitteilt, Kopf schief gestellt, Augenbrauen hochgezogen und ein blendendes Lächeln. Und in irgendeiner Tracht mit Röckchen und falschen Zöpfen.
Das Essen ist geschafft, Zahlen mal wieder kompliziert. Aus 36 peruanischen Dingens werden 25 Dollar. Bram findet das viel. Sie weiss nicht genau, ob das stimmt. Nach einer Weile taucht sie wieder auf, nun sind es nur noch 13 Dollar. Lächeln Eins, Rechnen Sechs.
Zwischendurch noch einen Polizisten fotografiert, der sich ein Eis gönnnt. Erst ziert er sich, “Estos verbotos” oder so, sagt er und meint damit sein Eis und hält es hinter eine Mauerecke. Ich sag “Please, noone knows” und habe mein Bild. Leider unscharf. Mist.
Zur Rückfahrt wird ein Taxi gesucht. Geht doch, nach nur 8 Taxen fanden wir einen Fahrer, der unserem “Callao” entnahm, dass wir nach “Caljao”, wie es gesprochen wird, wollen. Ansonsten inkompatible Sprachmodule. Allemanje, Ballag und Schweinschteiger sagten ihm was. Und so rasselt es aus ihm heraus als wäre er der Bruder der Fremdenführerin. Und ich gehe auf seine Erzählungen ein, erzähle ihm, dass ich kein Wort verstehe und wie das so ist mit der Welt und sowieso allem und alles. Hinten gniggern Bram und Achim über unsere Unterhaltung, irgendwann sieht der Fahrer ein, dass die Unterhaltung nicht funktioniert und es ist Ruhe.
In Callao biegt er falsch ab. Richtig, ich erkenne das. Ich kenne nämlich mittlerweile den Weg, weil es ist bereits das zweite Mal in diese Richtung, vier Mal insgesamt. Er versteht nicht, was ich will. Vorhin, beim Flughafen, da wäre er auch schon gerne abgebogen. Also ziehe ich einen Stift und ein Stück Papier aus der Tasche, male ein Schiff mit Segel und Containern. “Si si” sagt er uns schwups sind wir am Puerto. Geht doch.
Dort noch mal durch den Zoll. Dschungle. Der Erste von uns Dreien wird sorgfältig kontrolliert, beim Zweiten erlahmt die Lust und bei mir wird nicht mal mehr der Shorepass und RP kontrolliert.
Shuttlebus zum Schiff, am Inka-Shop aussteigen, die letzten 600 Meter Richtung Schiff latschen. Quer durch die Ladetätigkeiten. Bram und ich nutzen die Gelegenheit für Fotos. Lastwagenfahrer freuen sich, dass sie ins Internet kommen und werfen sich in Pose. PortSecurity sieht uns fotografieren, sofort gibt es Mecker. Bram diskutiert, ich höre selektiv weg und fotografiere weiter. Geht doch, ihr habt euer Opfer erfülltes Berufsleben und ich meine Ruhe…
Der Bosun steht an der Gangway und erwartet uns steht Wache.
Ein schöner Tag. In Lima. Lima selbst? Naja.
12° 2,630’ S 77° 8,780’ W (21ft)