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Buenaventura Einlaufen (2007-06-18 21:50)
Woche 5 
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Der Tag begann trübe und warm. Und wurde gegen Mittag noch wärmer. Drückend lag die Hitze über dem Pazifik, der glitzernd und flach wie geschmolzenes Blei schien. Joe Zucker wußte, dass die Menschen an diesem Tag noch erschöpfter sein würden, als sie sonst schon sind. Auf seinem blauem Hemd breitet sich bereits ein großer Schweissfleck aus, obwohl er erst seit zwei Stunden im Dienst war. Von seinem Kollegen Paul Kowalski auf dem Beifahrersitz im unbequemen Streifenwagen ging der frische Geruch eines Mannes aus, dem die Hitze nichts anhaben konnte. Nie würde ein Fremder auf die Idee kommen, dass auch er bereits seit über 8 Stunden ohne Dusche im Dienst war.

Paul sah sich noch einmal die Karte der vergangenen Nacht an.

“Das sieht ganz danach aus, als wolle er uns mürbe machen.” sagte Paul. Joe antwortet mit einem verächtlichen Schnauben. Das, so wußte er aus Erfahrung, würde er nicht schaffen.

In dem Fahrzeug, welches sie nun schon so lange beobachteten, liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren und schafften die Temperaturen, von denen er nur träumen konnte. Er greift zu der schäbigen Wasserflasche, deren Inhalt die einzige Linderung lieferte, die er und sein Kollege sich erlauben durften. Da quäkt es aus dem Funkgerät.

“Achtung, das Objekt verläßt seinen Aufenthaltsort. Es ist auf dem Weg nach Buenaventura.”

Erschöpft stieß Joe Zucker seinen Kollegen an, der aus dem Schlaf erwachte.

“Es geht los. Sie bewegen sich endlich!”

Sie sahen, wie der Wagen seinen Parkplatz verließ und Fahrt aufnahm. Aber er fuhr nicht schnell, sondern wie jemand, der noch kein Ziel vor Augen hatte. Wie ein 20-Jähriger, der eine Verabredung hatte aber noch nicht wußte, wann er sein Girl treffen würde.

“Da stimmt was nicht.” sagte Paul und rief über Funk die Zentrale.

“Vielleicht will er nur sprungbereit sein. Er legt sich auf die Lauer, umkreist sein Revier und dann…”

Joe Zucker hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stand der Wagen vor ihnen plötzlich in einer Parklücke. Sie sahen, wie der Fahrer langsam ausstieg und in ein nahes Restaurant ging.

Es war das Chez Trader, in dem ein Koch mit nur einer Bedienung jeden Tag von 8 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends seine hungrigen Gäste versorgte. Joe hatte davon gehört, das Essen war durchaus gut, eine bodenständige, bürgerliche Küche mit reichlichen Portionen. Nur die Bedienung sollte etwas träge sein, aber Joe war das egal. Hauptsache, es gibt etwas zu essen. Und das schien jetzt möglich zu sein.

Schnell sprangen auch sie aus dem Wagen, überquerten die River Side Road, auf der sich zu dieser Zeit der zähe Feierabendverkehr endlos zog. Sie hatten das Restaurant erreicht, mit einem schnellen Blick überflogen sie den Raum. Da, hinten rechts ist noch ein Tisch frei. Sie setzten sich, ohne jedoch den Fahrer des Wagens aus den Augen zu verlieren. Sie bestellten sich Beef with french fried potatos, dazu gab es wieder nur kühles Wasser.

Sie hatten gerade den letzten Bissen ihres Mahles auf der Gabel, als plötzlich der Fahrer aufsprang.

“Er muss den Termin erhalten haben.” bemerkte Joe überflüssigerweise, denn schon sahen sie, wie sich der Wagen in den immer noch zähen Verkehr einreihte.

Es ging nur langsam vorran. Aus einem vorausfahrenden MSC hob sich drohend ein behaarter Arm. Wieder mal ist Joe zu nahe aufgefahren, wieder mal mußte ein genervter Bürger ihnen zeigen, dass nur eine kleine Unachtsamkeit nötig war, um aus der Haut zu fahren.

Sie fuhren die lange schmale Hauptstraße herunter, die gerade auf Buenaventura zu lief. Links und rechts blinkten die grünen und roten Lichter, hinter ihnen ging die Sonne unter. Vor ihnen immer noch der MSC.

“Das kann noch dauern, bis wir in Buenaventura sind.” sagte Joe Zucker zu seinem Kollegen Paul Kowalski. Der blickte ihn an und sagte, was er immer sagte:

“Ich liebe diese langsamen Fahrten.” Er hatte ja recht, jedes Revier hatte seine Eigenarten und bei dieser langsamen Fahrt blieb genügend Zeit, die Ränder des Fahrbahn zu beobachten. Die Stadt erstrahlte nun in ihrem nächstlichen Lichtermeer, welches gnädig die ausgelaugten Straßen und die grauen Häuser verdeckt. Buenaventura hatte bessere Zeiten gesehen, aber die lagen vor der Zeit, in der Joe Zucker sich auf ihren Straßen herumtreiben durfte.

Nach über einer Stunde hatten sie scheinbar ihr Ziel erreicht. Der Wagen vor ihnen bog nach links ab, Joe Zucker lenkte in einem sanften Schlenker hinterher. Plötzlich kam ihnen Gegenverkehr entgegen. Ein großer, gefährlich schwankender Wagen, der wie sie auch in der Hitze des Abends glühte. Sofort hatten Joe und dessen Fahrer Augenkontakt. Ein kurzes Nicken, als wenn sie sich schon seit Jahren kennen würden und beide hatten verstanden, wie sie diese brenzelige Situation meistern. Joe zog seinen Wagen auf die linke Seite, ganz in den engen Rand der Kurve, während dem entgegenkommenden Wagen der große Aussenrand blieb. Nun fuhren sie zwar beide auf der falschen Seite, aber es war für jeden genügend Platz vorhanden.

Schon begann der andere Wagen zu beschleunigen. Er nutzte den freien Raum, den Joe ihm gelassen hatte. Diesmal würde der Fahrer keine wütende Hand recken, dachte Joe, aber er wußte auch, dass beide nun viel zu beschäftigt sein würden, um Freundlichkeiten auszutauschen.

Ihr Überwachungsobjekt war inzwischen an seinem Ziel angekommen, Joe konnte es in der Ferne parken sehen. Vor ihnen lag die Straße und in den Häuser am Rande standen die Bewohnern auf den Balkonen und versuchten gierig jede noch so kleine Brise aufzuschnappen.


Schwer und unbeweglich lag die Hitze in den Straßen, es war so heiss, dass jedes Fenster geöffnet war. Nur wenige Nachtschwärmer würden in dieser Nacht die Straßen der Stadt bevölkern. Aber Joe wußte, dass einige von ihnen erst spät in der Nacht den Heimweg antreten würden.

“Ich mache Meldung” sagte Paul Kowalski und griff zum Funkgerät, aus dem plärrende Stimmen klangen. Paul drückte die Sprechtaste und gab in kurzen Worten ihre Wagennummer und die neue Position durch.

Sie hielten mit ihrem Wagen wieder an genau der gleichen Stelle, an der sie vor genau 15 Tagen schon einmal gehalten hatten. Auch dieses Mal war es heiss und schwül. Dann begann es leise zu tröpfeln.

“Paul, es hat keinen Zweck.” sagte Joe Zucker und sie brachen die Überwachung ab.

3° 53,626’ N 77° 4,476’ W (67ft)

 


 
    

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